Saalfeldener Zeitgeschichte 1945-1955
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Karl Reinthaler. Dagegenhalten.
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Arisierung

"Arisierungen" zielten auf die systematische Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung aus dem Wirtschafts- und Alltagsleben ab. Durch den Raub des Besitzes sollten die Enteigneten zur Flucht gedrängt werden.
Sofort nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich begann ein zunächst spontaner, dann staatlich geregelter Raubzug gegen jüdisches Vermögen. In den so genannten "wilden" Arisierungen ("wild", weil von den Nationalsozialisten noch nicht per Gesetz scheinlegalisiert) beraubten ÖsterreicherInnen ihre jüdischen MitbürgerInnen ungehemmt ihrer Eigentümer. Wenig später wurde mit der Vermögensverkehrsstelle eine zentralisierte Behörde geschaffen, die die staatliche Überwachung und Beeinflussung aller "Entjudungsvorgänge" gewährleisten sollte. Die "Arisierung" bezog sich dabei nicht nur auf Zwangsverkäufe von Geschäften, sondern auch auf den Entzug von Alltagsgegenständen. Fest steht, dass die nationalsozialistischen Behörden äußerst gründlich und zügig arbeiteten: Anfang 1940 gab es nahezu keine jüdischen Unternehmen mehr auf dem einstigen österreichischen Territorium.

Saalfelden: In Saalfelden waren neun Menschen direkt vom Vermögensentzug betroffen. Die dargestellten Fallbeispiele des Kaufhauses Kant und des Sägewerkes Süssmann zeigen, dass auch in Saalfelden jüdische Menschen ihrer Güter beraubt wurden, und dass auch hier der enteignete Besitz nur zögerlich rückerstattet worden ist.

Restitution in Österreich: "Ich wäre dafür, dass man die Sache in die Länge zieht." Dieser 1948 getätigte Ausspruch des damaligen Innenministers Helmer ist mit Recht zum Synonym für Österreichs zögerlichen Umgang mit der Rückgabe geraubten Vermögens geworden.

Die "Ariseure" versuchten in den Prozessen oft nachzuweisen, dass der Raub nicht im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus gestanden hatte, sondern ohnedies ein Verkauf geplant war. Oft argumentierten sie, dass es sich bei den übernommenen Waren um eine minderwertige Qualität gehandelt habe, und die Betriebe ohnedies hätten aufgelöst werden müssen. Außerdem hätte man den Verfolgten durch das Abkaufen deren Eigentums doch nur geholfen, und ihnen damit die Ausreise ermöglicht und das Leben gerettet.
Die sich mit "Arisierungen" befassenden Rückstellungsprozesse dauerten in Salzburg durchschnittlich zwischen 15 und 16 Monate, manche erstreckten sich jedoch über mehrere Jahre. Insgesamt wurden bei der Rückstellungskommission am Landesgericht mehr als 190 Rückstellungsprozesse geführt. Etliche Geschädigte mussten mehrere Verfahren bestreiten, um ihr Eigentum zurückzuerhalten.
17,7 Prozent dieser Fälle wurden abgewiesen, 29,8 Prozent endeten in einem Vergleich, 22,7 Prozent in einer Rückstellung im Sinne der Antragssteller. Sehr oft verzichteten die Geschädigten auf die Rückerstattung von Erträgnissen, um die Verfahren nicht zu verkomplizieren. Die Rückstellungen in den beiden Saalfeldner Fällen (Sägewerk Süssmann und Kaufhaus Kant) stellen sich unterschiedlich dar.

Quellen: Lichtblau, Albert (2004). "Arisierungen", beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Salzburg. Wien, S. 7, S. 20ff., S. 133ff.; Bailer-Galanda, Brigitte (2002). Die Rückstellungsproblematik in Österreich, in: Goschler/Lillteicher, "Arisierung" und Restitution, S. 166, S. 173ff.; Etzersdorfer, Irene (1995). Arisiert. Eine Spurensuche im gesellschaftlichen Untergrund der Republik. Wien, S. 7ff., S. 19ff.; Safrian, Hans (2002). Beschleunigung der Beraubung und Vertreibung. Zur Bedeutung des "Wiener Modells" für die antijüdische Politik des "Dritten Reiches" im Jahr 1938, in: Constantin Goschler/Jürgen Lillteicher (Hrsg.): "Arisierung"und Restitution. Die Rückerstattung jüdischen Eigentums in Deutschland und Österreich nach 1945 und 1989. Göttingen, 2002, S. 73ff.;