Saalfeldener Zeitgeschichte 1945-1955
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Karl Reinthaler. Dagegenhalten.
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Flucht und Hoffnung

Mehr als 1,5 Mio. Menschen waren mit Ende des Krieges 1945 auf der Flucht durch Österreich. Zunächst handelte es sich dabei großteils um "Volksdeutsche", die durch die vorrückenden alliierten Soldaten aus den von NS-Deutschland besetzten Gebieten Mittel- und Osteuropas vertrieben wurden. Leider lässt sich die Zahl der Menschen, die aus diesem Grund in Saalfelden gestrandet waren, nicht exakt nachzeichnen, allerdings dürfte es sich um einige Hundert gehandelt haben, die aus den verschiedensten Ländern kommend in den Lagern z.B. in Haid oder in der Anton-Wallner-Kaserne untergebracht waren. Ab 1946 wurden die Bemühungen seitens Österreichs verstärkt, diese Flüchtlinge wieder in ihren Ursprungsländern zu repatriieren. Ausnahmen gab es, allerdings war es gerade in Saalfelden aufgrund der enormen Wohnungsnot, der großen Anzahl an Flüchtlingen und der Anwesenheit von ca. 3.000 US-amerikanischen Soldaten sehr schwierig, die Genehmigung für eine Aufenthaltsverlängerung zu erhalten.

Jüdische Flüchtlinge in Saalfelden 1946 bis 1949

Zusätzlich zu diesen Flüchtlingsgruppen waren auch hunderttausende Juden auf der Flucht durch Österreich. Sie waren zunächst - je nach Herkunftsland - den allgemeinen Flüchtlingslagern zugeteilt. Im April 1946 gelang es der Bricha, den Verantwortlichen der Besatzungsmächte endgültig klar zu machen, dass die jüdischen Flüchtlinge nicht länger aufgrund ihrer Nationalität einzelnen Flüchtlingslagern zugewiesen werden durften, sondern dass für sie eigene Lager eingerichtet werden mussten. Der Grund dafür lag in den immer wieder berichteten antisemitischen Übergriffen anderer DPs (= Displaced Persons) gegenüber den Juden.
Im August 1946 beschloss die US-Militärverwaltung, im DP-Lager in der Anton-Wallner-Kaserne zukünftig ausschließlich jüdische DPs unterzubringen. Das bis dahin dort befindliche "DP-Camp Nr. 36. Lager der Deutschen aus Jugoslawien" wurde in den Baracken des ehemaligen Reichsarbeitsdienstes untergebracht.
Das Verhältnis zwischen den DPs und der Saalfeldener Bevölkerung war von Anfang an geprägt durch gängige antisemitische Vorurteile und die Angst, die Lebensgrundlage in der Gemeinde könnte durch die Errichtung des jüdischen DP-Lagers noch schwieriger werden. Über die tatsächliche Situation dieser Flüchtlingsgruppe, ihre Geschichte(n) und den Lageralltag wussten nur wenige SaalfeldenerInnen Bescheid. Welch zentrale Bedeutung das jüdische DP-Lager mit Namen "Givat Avoda" (= "Hügel der Arbeit"), das ca. 3.000 Menschen Zuflucht bot, im Zusammenhang mit der jüdischen Fluchtbewegung aus den osteuropäischen Staaten nach Palästina hatte, war bisher nur sehr wenigen SaalfeldenerInnen bekannt. In der Saalfeldener Chronik beispielsweise findet sich nur einmal im Zuge der Darstellung der Geschichte der Anton-Wallner-Kaserne ein Hinweis auf "Givat Avoda". Die Geschichte dieses Lagers und die Geschichte(n) der Menschen, für die es Zwischenstation auf ihrem Weg nach Palästina war, ist auch ein Teil der Geschichte dieser Stadt.

Quellen:
Ben-Natan, Asher/ Urban, Susanne (2005). Die Bricha. Aus dem Terror nach Eretz Israel. Ein Fluchthelfer erinnert sich, Düsseldorf, S. 104ff.; Der Alltag der jüdischen DPs (1999), in: Juden auf der Flucht durch Österreich, Wien. S. 73.; Albrich, Thomas (1998). Vorwort, in: Albrich, Thomas (Hg.): Flucht nach Eretz Israel. Die Bricha und der jüdische Exodus durch Österreich nach 1945, Innsbruck, S. 7.; Albrich, Thomas (1998). Zionisten wider Willen. Hintergründe und Verlauf des Exodus aus Osteuropa, in: Albrich, Flucht nach Eretz Israel, S. 15-17.;